Das erste Drittel liegt
hinter mir...
(als sei es erst zwei Wochen her)
Mich durchströmt ein
unheimliches Glücksgefühl, ausgelöst durch Musik, die in meinen Ohren wummert.
Denn nachdem ich Dösi meinen iPod und mein Handy (übrigens zweimal
hintereinander, es wurden auch schon Wetten abgeschlossen, wann ich mein Auto
verlieren werde…) in Moshi verloren hatte, fühlte ich mich ganz leer und da
mein Computer schon immer nicht so viel hergegeben hat, bin ich jetzt ganz
froh, dass Lola so einen super Musikgeschmack hat und ich freundlicher Weise
ihre knapp 70 GB auf meinen Rechner ziehen darf! Also begleitet von unglaublich
guter Musik verfasse ich nun diesen Blogeintrag.
Vor einigen Tagen, ich
muss mich korrigieren: vor einigen Wochen, war ein riesiges Fest bei uns im
kleinen beschaulichen Uuwo, 25 Jahre Konfirmation. Was man dort nun genau
feiert, weiß ich immer noch nicht, allerdings sah das Ganze so aus: 10 Uhr
Kirche bis open end (wie so oft) und anschließend gingen alle nach Hause, viele
Häuser waren reichlich behängt mit Tüchern, Luftballons und, und, und. Da
Helena und ich an diesem besagten Tag im Office und somit erst um 17Uhr zuhause
waren, haben wir nicht allzu viel mitbekommen, aber schon auf dem Weg von der
großen Straße nach oben zu den Towos, liefen uns Massen von (vor allem jungen)
Leuten entgegen und die Bässe dröhnten aus verschiedensten Häusern. Betty, eine
Freundin von Helena aus dem Chor winkte auch schon fröhlich. Also Helena und
ich schnell nach oben, Sachen abgelegt und wieder runter. Haha, die Wazungu
rennen schon wieder, riefen einige, aber das war uns egal. TANZEN! Dann sind
wir erst mal von Haus zu Haus gegangen und haben ausgecheckt, welche Musik uns
am besten gefällt und sind dann bestimmt drei, vier Stunden geblieben, um mit
Jung und Alt zu tanzen. Das Publikum? Von 4 bis 70 Jahren, gemischt eben. Das
hat auf jeden Fall viel Spaß gemacht und war dazu auch noch ein guter Start in
den Urlaub, der nun auch schon wieder vorbei ist…
Ich war ja mit Hanna erst in
Arusha und anschließend noch in Pangani, an der Küste des indischen Ozeans, wo
uns etliche schöne Sonnenuntergänge und ein unvorhersehbares Abenteuer erwartet
haben, aber dazu im Anschluss mehr. Also, ihr merkt vielleicht, bei mir
herrschte mehr Sommerfeeling als Weihnachts- und Adventsstimmung, obwohl wir
uns echt bemüht haben! Wir hatten einen wunderschönen Adventskranz, den Helena
und Verena liebevoll gebastelt haben und jede Menge Weihnachtsplätzchen sind in
den Bäuchen gelandet, besonders Lolas Printen waren köstlich!
Uuuund wir hatten
ja in den letzten Wochen, wieder muss ich mich verbessern, inzwischen ist es
einen Monat und ein, zwei Wochen her, auch einiges zu feiern! Es standen drei
Geburtstage an, die alle gebührend gefeiert wurden, obwohl das ja hier
eigentlich nicht so üblich ist und der Geburtstag nicht wirklich wichtig für
die meisten Leute ist. Aber nichts desto trotz bekamen Hanna, Carsten und ich
einen wunderschönen Tag beschert! Außerdem den supersüßesten Kuchen, den ich
jemals hatte, mit zehn Tonnen Zuckerguss!
Oh, und vor einiger Zeit
hatten wir hohen Besuch. Als Helena und ich mal wieder bei einem Waisentreffen
waren, haben wir noch ein bisschen mit dem Pastor der Gemeinde geschnackt (oh,
man merkt, ich bin hier nur unter
Norddeutschen) und es kamen natürlich wieder die üblichen Fragen. Bist du
verheiratet? Nein, warum denn nicht? Hast du einen Freund? Nein, oh, würdest du
einen Tansanier heiraten? Ich such dir einen und besorg dir Haus und Feld, na
wie wär das?! (ein schwungvoller Klaps auf die Wange) und so weiter. Jedenfalls
war das eigentlich noch ganz lustig und er schien echt Humor zu haben. Kurzer Hand
hat er sich dann einfach selbst zum Essen eingeladen, es gab Spätzle, was
natürlich das Wort des Abends war. Der Abend hielt sich kurz, Frau und Kind
waren mit. Das Essen war lecker, ab und an peinliches Schweigen. Doch man
konnte sich dann doch gut unterhalten. Zurück in der Gemeinde zum
Gemeinderundgang 1 ½ Wochen später geht es um Teufel, Hölle und Dämonen. Wie sehe
der Teufel aus, schwarz oder weiß? Helena sagt, er sei rot, wie man das eben
aus Filmen und Kinderbüchern kennt. Ich glaube nicht an den Teufel und die
Hölle, sage ich. Das war vielleicht ein Fehler, denn jetzt geht es erst richtig
los. Wenn es den Himmel und das Gute gebe, müsse es auch einen Gegensatz geben
und das sei die Hölle und der Teufel, denn woher käme sonst das Schlechte, das
Böse? Die Diskussion ist entfacht und ich versuche, meine Ansichten und meinen
Glauben darzustellen und in gewisser Weise auch zu rechtfertigen und das macht
mich wütend und traurig. Irgendwann blocke ich ab und sage nichts mehr. Helena
führt das Gespräch fort und macht es ziemlich gut, ich bin froh, dass ich sie
habe. Sachlich, ruhig und überzeugende Argumente. Das ist jedenfalls ein Thema,
das die Menschen hier sehr beschäftigt. Ich habe das Gefühl, viele sind sehr
von Angst geprägt und das sollte meiner Meinung nach nicht sein. Selbst viele
junge Leute, mit denen ich mit unterhalten habe, berichten von Dämonen und
Schreckgespenstern und was ich anfangs als Witz gehalten habe, ist wirklich
ernst gemeint. Vor einiger Zeit beim Waisentreffen in der Mwika Bible School
durften wir eine Art Dämonenaustreibung überraschender Weise miterleben. Wir
spielen gerade mit den Kindern 1, 2, 3, Abschlag und plötzlich werden aus der
Kirche nebenan, wo gerade ein Gottesdienst für junge Leute anlässlich eines
Seminars stattfindet, fünf ohnmächtige Frauen herausgetragen, nicht sehr
vorsichtig und liebevoll, muss man dazu sagen. Sie werden unnötiger Weise in die
pralle Sonne gelegt und als eine Frau aufwacht, ist sie völlig verstört,
springt auf und schreit. Wahrscheinlich sind einige der Frauen auch genau
deshalb an den Beinen zusammengebunden. Die Kinder laufen verängstigt weg und
die Kleinsten beginnen zu weinen. Völlig versteinert stehe ich da und bin
genauso geschockt, verunsichert, verängstigt. Es geht weiter, einige Leute
kommen, stellen sich im Kreis um die liegenden Frauen und beginnen
Schreigebete. Viele der Frauen weinen und schreien, als hätten sie starke
Schmerzen. Immer noch versteinert. Doch dann nehme ich die Kinder wahr. Helena
und ich nehmen die Kinder an die Hand und gehen weit weg, wo wir nur noch wenig
von den Schreien mitbekommen. Ich weiß bis heute nicht, wie ich damit am besten
umgehen soll. Allerdings gibt es im Gegenzug auch viele Leute, die genau so
denken, wie ich und ich bin froh, dass ich darüber reden kann, ohne mich
rechtfertigen zu müssen oder ausgeschlossen zu werden. Wie auch neulich wieder
ein interessantes, offenes Gespräch bei Helena im Zimmer mit Vicent entstanden
ist. Vicent ist Pikipikifahrer in Mwika und war selbst mal im Waisenprojekt. Er
war auch schon mit den anderen Freiwilligen vor uns befreundet und er ist echt
ein guter Kumpel. Ich genieße es sehr, mich mit ihm zu unterhalten, weil er
echt interessante Ansichten hat und man super mit ihm diskutieren und auch
rumalbern kann, gleichzeitig ist das eine super Übung für mein Kiswahili.
Ansonsten hat nach den
Ferien nun wieder der Alltag begonnen und ich freue mich schon sehr auf die
nächste Zeit. Helena und ich haben nun auch unter anderem begonnen, die
Kinderseminare zum Thema Gesundheit/HIV, Aids und für die Stipendiaten zum
Thema Selbstbewusstsein und Lebenstraum (Was will ich werden? Was kann ich gut?
usw.) zu planen. Darauf bin ich auch echt gespannt und freu mich schon. Aber
das dauert ja auch noch. Zuerst kommen ja Mama und Friedrich zu Besuch im
Februar, worauf ich mich schon riiiiiesig freue!
So, nun noch ein kleiner
Ausschnitt aus meinem Reisetagebuch:
Dezember 2012- Eine Woche
vor Weihnachten begannen die Ferien und so hab ich mich mit Hanna aufgemacht, ein
bisschen was anderes zu sehen und zu entspannen. Erst ging es auf nach Arusha,
wo wir uns unter anderem mit dem Kopf der Black Panthers- Bewegung in Kansas
City Pete O´Neill und seiner Frau Charlotte bzw. Mama C getroffen haben, die
wohl waschechte Hippies sind. Sehr esoterisch und sinnlich, würde ich sagen.
Wir haben unter anderem gemeinsam gejammt, auf sehr interessanten, klangvollen
Instrumenten, die sie selbst kreiert haben. Auf ging´s nach Pangani,
Strandurlaub, voll dekadent im Beach Crab Resort mit Vollpension (für Volontäre
gab´s Rabatt, muss man dazu sagen…). So paradiesisch es dort auch ist, so
weiter ab vom Schuss ist es auch. Also hieß es Expressbus nach Tanga, von Tanga
mit einem Kleinbus nach Pangani Town zur Fähre, 5 Minuten übers Wasser und von
da aus noch mal eine Stunde mit Taxi, Pikipiki oder was einen sonst noch so
mitnimmt, wie ein fetter Truck in unserem Fall zum Beispiel, aber das ist auch
noch eine andere Geschichte. Schade nur, dass unser Bus von Arusha nach Tanga
viel zu lange gebraucht hat und wir dann keinen Anschluss mehr nach Pangani zur
Fähre bekommen haben. Also hieß es Taxi, was ordentlich gekostet hat/hätte.
Doch da kommen plötzlich zwei Wazungu auf uns zu und fragen uns, wo wir hin
möchten. Kurz, wir schließen uns zusammen und teilen uns das Taxi und wir
verstehen uns super mit den beiden Jungs aus Schweden. Spontan kommen sie mit
zu unserem Resort und wir verbringen ein paar nette Tage, an denen außerdem der
Traum geboren wird, ein kleines landestypisches Fischerboot (Einbaum) zu kaufen
und damit runter nach Dar es Salam zu segeln. Wir malen uns aus, schnacken und
planen, nur mal so zum Spaß. Simon hat einen Segelschein und ein paar Tage
später sitzen wir auf einer aus Bananenblättern geflochtenen Matte mit dem
Chairman aus dem Ushongovillage/ Pangani und diskutieren den Kaufvertrag. Zack,
unterschrieben. Das Boot gehört uns, einen Namen haben wir noch nicht. Es geht
los, alles in Plastiktüten verpackt und gesichert gegen hohen Wellengang und
Schwimmwesten an. Erste Nacht unter freiem Himmel am einsamen Strand, es fühlt
sich komisch an und ich habe Angst vor Schlangen, aber ich genieße das einfache
Leben und die Freiheit. Zweite Nacht, es ist Heiligabend. Wir stecken einen
Palmenblatt in den Sand und tanzen zu Reggaebeats drum herum, es gibt Cola und
einen Avocado-Tomatenmix aus dem Eimer. Die Affen kreischen im Hintergrund und
wir haben Angst um unsere Sachen, doch alles bleibt am Platz und wir genießen
die Ruhe und denken an Europa und den grausamen, erzwungenen Weihnachtsstress.
Weiter geht´s, doch dann kommt alles anders. Der Wind zu stark, der Wellengang
zu hoch, das Boot knallt gegen ein Riff. Alle Mann/Frau von Bord und das Boot
retten. Hanna gerät in Panik und steckt mich auch ein wenig an, Gustav verletzt
sich den Fuß und kann bis heute noch nicht richtig laufen. Wir überleben, was
nie außer Frage stand und selbst mein Handy funktioniert noch. Auch unser Boot
(es hatte nie einen Namen, wir konnten uns nicht einigen) hat es geschafft und
wir konnten es sogar noch verkaufen. Bis Dar es Salam haben wir es nicht mehr
geschafft, aber es hätte nicht mehr viel gefehlt und wir sind froh, wieder zu
den Landratten zu gehören, war dann doch anstrengend und abenteuerlich. Doch
wir haben es genossen und hatten unsere schönen Tage auf dem Boot. Meine
Gastfamilie und meine Mitfreiwillige Helena waren wohl etwas enttäuscht, dass
ich nicht da war, aber ich glaube, sie haben es auch verstanden. Wann bekommt
man schon mal die Gelegenheit? Wie oft sagt man einfach mal ja und stellt sich
dem Abenteuer? Das klingt jetzt wahrscheinlich super kitschig und dramatisch,
aber irgendwie weiß ich mich nicht anders auszudrücken…(Urlaubsbilder folgen!)
Eure Wiebke
P. s. Ein frisches,
geniales Jahr 2013 wünsche ich euch allen! Lasst es krachen und euch von
Überraschungen und unvorhersehbaren Umständen nicht unterkriegen, lasst sie auf
euch zukommen und macht das Beste aus allem!